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Ja, ja, ich weiß, die Grundpfeiler einer Geschichte sind Anfang, Mitte, Schluss; die Grundpfeiler sind 1. Akt, 2. Akt, 3. Akt. Aber. Es fängt ja noch weiter vorne an.
Ich habe mal in grauer Vorzeit einen historischen Roman geschrieben. Alles genau recherchiert: Wer einen historischen Roman geschrieben hat, weiß, jedes Essen, jeder Gang aufs Klo (gab´ s das überhaupt?), den die Protagonistin macht, bedarf tagelanger, ja wochenlanger Recherchen. Das war alles vorhanden, ich kannte die Postkutschen-Verbindungen von Dover nach London im Frühjahr 1745 aus dem ff. Meine Heldin Emily war ein fröhliches Mädchen, und als Fehler hatte ich ihr ein leichtes Stottern (von allen Fehlern) angedichtet. Sie forschte in Sachen Heilpflanzen und wurde an einem bestimmten Punkt der Geschichte verheiratet. Am Ende verliebten sie und ihr Ehemann sich natürlich, aber vorher gab es einige Schwierigkeiten mit geflüchteten Jakobiten usw….
Der Knackpunkt war: Ich hatte nicht die Bohne einer Ahnung, was meine Heldin eigentlich wollte – und ich hatte es 320 Seiten lang noch nicht mal gemerkt.
Was wollte sie? Blumen erforschen, ihren Ehemann erobern, den Weltfrieden?
Hätte ich sie gefragt, wie man das als gute Autorin ja tun soll: „Was willst Du?“ hätte sie in ihrer fröhlichen Art nur gestottert: „Wweiß nnicht.“
Na toll. Und das war auch der Grund, warum der Roman noch immer in einer Schublade respektive auf einer Daten-CD liegt.
Das wäre schon einmal das Erste, das eine Figur braucht: ein Ziel.
Und einen Grund, warum sie da auf 250-500 Seiten herumrennt.
Und es braucht genug Widerstände, sonst wäre der Roman ja nur 20 Seiten lang:
„Herr Kommissar, hier ist die Leiche, und hier die Frau hat ihn umgebracht – sagt sie wenigstens.“ (Da erst würde es ja wieder interessant werden).
Ziel – Motivation – Konflikt als 3 Grundpfeiler? Noch mal: und was ist mit den 3 Akten? Anfang, Mitte, Ende? OK, alles ist richtig. Es hilft nur einfach enorm beim Schreiben einer Geschichte, eines Roman oder einer Kurzgeschichte, wenn man auf das Folgende Antworten hat:
Wer? = Figur
Was? = Ziel
Warum? = Motivation
Warum nicht? = Konflikt
Eine Figur hat ein Ziel, weil sie/er motiviert ist, stößt aber auf Hindernisse.
Ein bestimmtes Buch hat vielleicht nicht jeder gelesen, es gibt aber Filme, die so gut wie jeder kennt. Also mal gucken, wie es Rick Blaine, gespielt von Humphrey Bogart, mit Ziel, Motivation und Konflikt geht:
Ziel, Motivation, Konflikt – zum Beispiel Casablanca:
„Casablanca“ ist die Geschichte vom Barbesitzer Rick Blaine (Humphrey Bogart) , der während des 2. Weltkrieges in Casablanca den angesagtesten Nachtclub der Stadt betreibt. Erzählt wird, wie er während der Nazi-Besatzung vom Zyniker zum Patrioten wird – weil er seine alte Liebe Ilsa Lund, (gespielt von Ingrid Bergmann) wieder trifft.
Die ausführliche Zusammenfassung hier:
http://www.imdb.de/title/tt0034583/plotsummary
Rick Blaine hat 2 Ziele. Er glaubt an so gut wie gar nichts, er lebt in gefährlichen Zeiten, mitten im Krieg. Er will verhindern, dass seine Bar geschlossen wird – sein Ziel Nr. 1.
Dann kommt seine Vergangenheit in der Gestalt von Ilsa Lund-Laslo in seine Bar hereinspaziert. Rick möchte Ilsa dafür bestrafen, dass sie ihn in Paris verlassen hat. Als er die Gefahr für Ilsa und ihren Helden-Mann erkennt, ändert sich sein Ziel.
Ihr zu helfen, könnte sein Geschäft gefährden, sein erstes Ziel. Jetzt muss er auf einem schmalen Grad wandern mit seinem zweiten Ziel – Ilsa auf den Flug in die Freiheit zu bekommen.
Was sein inneres Ziel angeht – da geht’ s Rick auch nicht rosig: Er würde gerne die Liebe wieder aufleben lassen, die ihn und Ilsa in Paris verbunden hat. Er möchte aber auch tun, was für die Welt gut ist. Ilsa und ihren Mann, auf den Flug zu bekommen ist das, was richtig ist.
Ricks verschiedene Ziele zwingen ihn, sich ständig zu entscheiden, harte Entscheidungen zu treffen.
Zurück zu Rick: Seine Ziele stehen in Konflikt miteinander: Hilft er Ilsa, kann das sein Geschäft gefährden. Er merkt aber, in was für einer Gefahr sie steckt (deshalb will er, dass sie im Flugzeug sitzen soll), das erhöht sein Mitgefühl und seinen Sinn für Verantwortung für die anderen Menschen, die ihn brauchen – dazu muss er aber seine Bar geöffnet halten – was uns wieder zu Ziel Nr. 1 bringt.
Warum will Rick die Liebe von Paris aufleben lassen?
Weil er immer noch verletzt davon ist, dass sie ihn verlassen hat.
Weil er sie, trotz all seiner Anstrengungen, sie zu vergessen, immer noch liebt.
Warum sollte Rick etwas tun wollen, das für die Welt wichtig ist?
Weil er aus erster Hand sieht, was der Krieg mit den Menschen macht.
Weil er nicht länger distanziert zugucken kann, jetzt, wo jemand, für den er starke Gefühle hat, durch den Krieg leiden muss.
Rick ist eine vieldimensionale Figur mit vielen Widersprüchen – er verändert sich und entdeckt seinen „moralischen Kompass“ wieder.
Wie erarbeitet ihr Figuren – schreibt ihr einfach los oder macht ihr einen Plan?
Ich muss mich hier outen. Ja es ist so: Ich mag romantische Komödien. Es ist so, seit ich irgendwann in den 70ern in einem der dritten Programme It Happened One Night mit Claudette Colbert und Clark Gable gesehen habe.
Ein Zeitungsreporter, der eine tolle Story wittert, begleitet eine ausgerissene Millionärstocher auf dem Weg zu ihrer Hochzeit mit einem neureichen Playboy.
Sie merkt nicht, dass er ein Reporter ist und auf dem Weg zu ihrem Ziel erleben die zwei einige Abenteuer on the road – und verlieben sich ineinander.
Romantische Komödien bekommen immer vorgeworfen, sie seien so vorhersehbar. Komisch, einem James Bond-Film wirft auch niemand vor, dass er vorhersehbar ist: Natürlich rettet James Bond mal wieder die Welt. Und Krimis? Natürlich wird der Mörder gefasst und unsere kleine Welt ist wieder etwas mehr in Ordnung als zu Beginn des Films/Romans.
Bei romantischen Komödien ist es ziemlich klar, wer wen am Ende bekommt.
So auch bei der kleinen Enkelin von It Happened One Night, Verlobung mit Hindernissen mit Amy Adams und Mathew Goode.
Die Frage hier, wie bei allen romantischen Komödien ist: OK, sie kriegen sich – Aber WIE?
Und, was noch dazu kommt: Bekomme ich , während ich die Figuren dabei beobachte, wie sie sich beharken, einen Eindruck, ob sie gemacht sind füreinander?
Oder sehe ich nur zwei verdammt attraktiven Stars dabei zu, wie sie die Leinwand füllen?
Zu Verlobung mit Hindernissen:
Amy Adams ist meiner Ansicht nach eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation: Da war die überkandiedelte Märchenbraut in Verzaubert, die leicht verhuschte Autorin in Julie und Julia, die übers Kochen und Bloggen zu sich selbst findet.
In Verlobung mit Hindernissen spielt Amy Adams die energische Innenarchitektin Anna, die sich nach 4 Jahren mit ihrem Chirurgen-Freund entschließt, ihm selbst einen Heiratsantrag zu machen. Das ist nach einer alten irischen Tradition alle vier Jahre in einem Schaltjahr möglich (darum heißt der Film im Original Leap Year -Schaltjahr).
Durch einen Sturm landet ihr Flieger nicht in Dublin, sondern in Wales und selbst als sie mit einem kleinen Boot nach Irland übersetzen kann, landet sie auf der falschen Seite der Insel. Dort ist sie gezwungen, sich ein Fortbewegungsmittel zu besorgen: Der einzige, der eine Art Taxi hat, ist der zynische, scheinbar in den Tag hinein lebende örtliche Gastwirt Declan (Mathew Goode). So fahren und laufen die zwei quer durchs Land und erleben einige Abenteuer, bis Anna vor ihrem Verlobten steht und nicht mehr weiß, wer der Richtige ist.
(Foto: rhein-zeitung.de)
Verlobung mit Hindernissen ist: vorhersehbar. Aber es gibt viele witzige Situationen, durch die die beiden Helden sich hangeln müssen und ich erlebe die Chemie zwischen den beiden Figuren, das gewissen Britzeln, dass es braucht, um die Liebesgeschichte glaubhaft zu machen.
Nur zum Vergleich:
Ich habe in diesem Jahr schon einige romantische Komödien gesehen, bei denen ich mich gefragt habe: Warum interessieren sich diese beiden attraktiven Menschen überhaupt füreinander?
Bei Der Kautions-Cop (The Bounty Hunter) etwa spielen Jennifer Anniston und Gerard Butler ein Ex-Ehepaar. Nach viel Action gibt es am Ende Kuss und Schluss – aber ich weiß nicht, warum diese beiden wieder zusammen kommen sollten? Ich habe nur zwei verdammt attraktive Menschen zusammen laufen und sich anschreien sehen.
Bei Kautions-Cop sehe ich auch keine Veränderung bei den beiden Figuren.
(Foto: energy.de)
Anna und Declan in Verlobung mit Hindernissen verändern sich beide, haben das, was man einen „Character-Arc“ nennt: Aus der Perfektionistin wird eine Frau, die auch mal fünfe gerade sein lassen kann und aus dem zynischen Mann, der seiner Frau nachtrauert, wird ein charismatischer Gastronom. Das mag sogar zu viel der Veränderung sein, aber man versteht es. Wie das im Einzelnen passiert, das macht dann bei aller Vorhersehbarkeit für mich den Spaß beim Sehen aus.
Was mögt ihr an romantischen Komödien – was turnt euch ab? Was sind eure Liebings-Filme und Romane in dem Genre?